Hopfastempfe aus Stammham

11. Oktober 2023 Aus Von Heimatforscher

Als es in Stammham noch Hopfen gab!           

Eine Lausbubengeschichte von Ludwig Geyer

Die Geschichte von der ich hier erzählen möchte, hat sich im Jahre 1899

zugetragen.Ich war 10 Jahre alt. In Stammham wurde noch Hopfen gebaut. Die Metzgerleute Leonhard und Walburga Greiner hatten ihren Hopfengarten drunten im Salvatorweg, bei der großen Grube.

Eine heizbare Hopfendarre hatte nur der Lukaswirt. Beim Greiner darrten ihren Hopfen im Pfarrhof auf dem Spitzboden. Pfarrer war Johann Baptist Schießl (1), er war der letzte Pfarrer der die Pfarrpfründe noch selbst bewirtschaftete. Seine Schwester Babett, nach Größe und Umfang eine richtige Bäuerin vom

alten Schlag, das kleine hochbetagte Pfarrmütterchen und ein älterer Verwandter, von den Stammhamern „Pfarrer Girgl“ genannt, besorgten die landwirtschaftlichen Arbeiten. Die Metzgerin war die Tante meiner Mutter und hatte keine Kinder. Ich verbrachte die Kinderjahre tagsüber gern bei den Metzger´s, sie besaßen das heutige Scheidl-Anwesen. Noch heute, wenn ich durch die Ortschaft komme, richten sich meine Blicke jedesmal in die Winkelgasse zum großen Giebel. Besonders das kleine Fenster rechts der Tür hat es mir angetan, denn durch dieses flogen die Schwalben ein und aus. Wie freute ich mich jedes Jahr auf ihren Frühlingsgruß! Stundenlang konnte ich an der Türschwelle sitzend, dem Getzwitscher dieser lieben Vögelchen zuhorchen. Schon oft im Leben habe ich meinen Schöpfer für diese glücklich-frohen Erlebnisse gedankt. Eines Tages, als sich die Schwalben zum Abschied sammelten, ging ich in den Pfarrhof. Unterwegs begegnete mir ein Schulfreund, der Forsterbauer Matthias. Er hatte eine gute Erziehung und war für Lausbubereien nicht leicht zu gewinnen. „ Wigg, wo gehst´hin?“ fragte er mich. „In den Pfarrhof“. „ Was tuast´n do?“ „Auf´n Hopfenboden steig´n .“Was treib´st denn da drob´n ? “ Zum Guckerl schau i naus.“ „Wos sieht man denn do?“„ Da sieht ma weit, bis ins Gebirg.“ „ Dös möchte i a gern sehn!“ „ Dann geh mit. “ Frohgemut schlenderten wir in den Pfarrhof, das Hoftor und die Haustüre standen offen. Vergnügt stiegen wir die erste Treppe hinauf, ich voran, er hinterher. Es roch sehr nach Hopfen, ich musste niessen. Als ich mein Taschentuch herauszog, kollerte ein Schusser die Treppe hinunter. Der Hias hüpfte ihm nach und entdeckte dabei am Fensterbrett eine halbgefüllte Schnupftabaksdose. Bevor er mir den Schusser gab, sagte er: „ da vorn am Fenster liegt dem Pfarrer-Girgl sei Dus´n“. „ Bring´s g´schwind her“ sagte ich, „dem Girgl steck ma Hopfatroll´n nei“. „ Mei, i trau ma net , flüsterte der Hias,“ „ wenn mi da Girgl erwischt, sagt er´s dem Herrn Pfarrer“. „A wo, der Girgl is ja mit de Küah ins Feld naus g´fahrn.“ Da bekam der Hias a Schneid und holte die Dose. Sie hatte die Form eines kleinen Gebetbuches. Schnell hatten wir sie mit Hopfen gefüllt. Auf´s Fenster legte sie der Hias nicht mehr, dies überließ er mir. Ohne auf den Spitzboden zu steigen schlichen wir uns ganz still und leise davon. Vorne, beim Lukaswirt, sahen wir den Girgl mit seinem Gespann heimwärts fahren. Flugs waren wir hinter einem abgestellten Holzfuhrwerk verschwunden. Der Girgl sah uns nicht, aber die Babett, die auf dem Wagen saß, hatte uns bemerkt. – Es vergingen einige Wochen.- An einem Samstag Nachmittag saß ich im Garten auf einem Zwetschgenbaum, als meine Base von der Christenlehre zurückkam.  „ Ludwig, hörte ich sie rufen.“ „ O weh!“, dachte ich mir, denn ich erkannte schon an ihrer Stimme, dass sie nicht gut auf mich zu sprechen war, „du warst doch in letzter Zeit öfters im Pfarrhof hint´n , weißt du net was für Lausbuam in die Dus´n von Herrn Pfarrer Hopfatroll´ n gesteckt hab´n?“ Ohne zu zögern erwiderte ich, „dös war aber doch die Dusn vom Pfarrer Girgl“. Schon hatte ich mich verraten. „Ja hast denn du dös gmacht, du Lausbua, du elendiger!“ „Des war aba die Dusn vom Herrn Pfarrer“. Nachdem ich den ersten Schreck überwunden hatte, jammerte ich: “goi Basl, du sagst es net dem Herrn Pfarrer.“ „Na, i sag nix, des muast eahm ja du selber sog´n, beim beicht ´n.“ „Warum?“ „Is dös ebba a Sünd?“ „Ja freile, und koa kloane!“ Diese Sünde bedrückte mich sehr und ich war froh, als an einem Samstag im Oktober Klassenbeichte war. Ich wusste nicht zu welchem Gebot meine Hopfensünde gehörte drum sagte ich zum Schluß ganz schnell: „ Ich habe in die Schnupftabakdose von Herrn Pfarrer Hopfentroll´n gesteckt.“ Der Herr Pfarrer machte eine kurze Pause und schnupfte. Ich dachte mir “ guat, is ganga.“ Aba – ziemlich laut sagte er: „ sag´s noch einmal, aber a bißl langsamer.“ Etwas zögernd wiederholte ich meine Sünde. „ So, sagte er, du bist es gwesen. War noch einer dabei?“ „Ja“ “ wer denn?“ „Der Forsterbauer-Hias .“ Ich musste um 5 Uhr in den Pfarrhof kommen. Als ich mich dort einfand, stand der Hias vor der Tür. „ Was willst du do“ fragte ich ihn? „Ja, du bist dro schuld!“, Wia i mit´n beicht´n fertig war, hat mi da Herr Pfarrer g´fragt, ob i koa Sünd mehr woiß. Mir is koane mehr eing´falln und hab gsagt: „na , Herr Pfarrer.“ „So hat er gsagt, du hast ma doch in mei Tabakdusn Hopfentroll´n g´steckt, is des ebba bei dir koa Sünd?“ „ I hab´s eam owa glei g´sagt, daß du des g´macht hast und dass i Dusn blos g´halten hab; desweng muaß i zu eahm kumma.“ Wir standen im Hausgang und getrauten uns lange nicht anzuklopfen. Als wir sein Herein hörten, schob ich den Hias vor mir her. Der Herr Pfarrer war guter Laune, denn er lachte als er uns sah. Ich musste ihm die ganze Geschichte erzählen. „ War´s a so?“ fragte er den Hias. „ Genauso is g´wesn oba i hab fei Dusn bloß g´halt´n, Herr Pfarrer!“ Nach einer liebevollen Ermahnung mußten wir uns auf den Betstuhl knien und dabei 10 Vaterunser beten. Der Herr Pfarrer setzte sich an seinen Schreibtisch. Als ich fertig war, schaute ich zum Hias, der links von mir kniete. Er schwitzte und schüttelte den Kopf. Der Herr Pfarrer stand auf, „ Seid´s fertig?“ „I bin ferte, Herr Pfarrer!“ „Und du Hias?“ „ I hab mi verzählt, nacha hab i wieda vo vorn an´gfanga, iatz bin i erst beim dritten Vataunser!“ „Dann bets´t weiter und der Ludwig zählt.“ Der Herr Pfarrer ging wieder zu seinem Schreibtisch und ich sagte zum Hias ganz leis: „ Du bist a Depp!“ Dies war dem Hias zu dumm. Er stieß mich mit dem Ellenbogen schön kräftig in die Hüfte. Ich konnte mich gerade noch am Betstuhl festhalten, aber ein Gebetbuch fiel herunta und viele Bilder lagen verstreut umher. Der Herr Pfarrer sprang auf und nahm uns bei den Ohren „Herr Pfarrer, sagte der Hias „der do hot mi an Depp´n g´heiss´n, da hab i eahm oane g´stiert.“ „Ja, was seid ihr denn für Lausbuam! Vor a Stund hab´s beicht und jetzt rauft´s glei bei mir herin unterm bet´n!“ Mit eich zwoa kann unser Hergott a so a Freud hab ´n!“ Wir mussten die Bilder wieder zusammenklauben und ihm versprechen, daß wir nie mehr solche Dummheiten machen werden. Er entließ uns in aller Güte. Nachdem wir das Hoftor hinter uns hatten, sagte der Hias: „Mit dir steig i fei nimmer auf´n Hopfenboden!“ Und ich sagte: „gai Hias, dahoam erzähl ma nix von dera Gschicht, woaßt, mei Vata schlogat mi mit da Hundspeitsch´n . „ I sog ganz g`wiß nix davo“ meinte der Hias, „mei Muatta, ja mei Muatta, sperrt mi pfeigrod in Saustoll nei.“

Nie wieder hörte der Herr Pfarrer über uns eine Klage.

Ludwig Geyer 3. September 1957

(1)     Johann Baptist Schießl war Pfarrer in Stammham von 1896 – 1901 Quelle: Ida Welser/ Michael Lukas Stammham Vom handschriftlichen übersetzt nach damaliger Schreibweise:       Michael Lukas / Hubert Bayerlein ; Foto Hopfastempfe: Michael Lukas